- 06.11.2025
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Long, narrow metal component with complex structure and reinforcement ribs, isolated against a black background
Elektromobilität, Kommunikations- und Netzwerktechnik und steigende Nachhaltigkeitsanforderungen verändern, welche Bauteile künftig gegossen werden – und wie. Dabei rückt ein Verfahren in den Fokus, das lange Zeit als Nischenlösung galt: Rheocasting. Das halbflüssige Gießen, eine Variante des Semi-Solid-Castings, bietet Gießereien die Möglichkeit, sich technologisch und wirtschaftlich breiter aufzustellen. Auf der EUROGUSS 2026 wird dem Thema erstmals ein eigener Gemeinschaftsstand gewidmet.
Geschrieben von Editors EUROGUSS 365


Rheocasting ist keine neue Technologie – aber eine, deren Zeit offenbar gekommen ist.
„Rheocasting war bisher schlicht nicht nötig“, erklärt Staffan Zetterström, Manager Marketing & Sales bei Comptech Rheocasting. „Doch Elektromobilität und 5G verändern die Anforderungen: Bauteile müssen steifer, wärmeleitfähiger und materialeffizienter werden.“ Und Rheocasting sei dafür ideal.
Die Basics des Breis
Rheocasting basiert auf einem kontrollierten Erstarrungsprozess: Die Metallschmelze wird gezielt abgekühlt, bis sie teilweise erstarrt. Es entsteht eine Mischung aus fester und flüssiger Phase – eine Art metallischer Brei, der anschließend in die Form eingespritzt wird. Das Ergebnis ist eine feinkörnige Mikrostruktur mit homogener Materialverteilung und damit Gussteile mit geringer Porosität und hoher Dichte.
Diese halbflüssige Konsistenz verbessert das Fließverhalten – ein Vorteil bei dünnwandigen und komplexen Geometrien, wie sie insbesondere in Elektrofahrzeugen oder Wärmetauschern vorkommen. Typische Anwendungen sind außerdem große Strukturbauteile im Karosseriebereich , CO2-Kompressorsysteme oder Bauteile, bei denen Wärmeleitfähigkeit ein zentrales Designkriterium ist.

Chancen im Wärmemanagement
Spannend ist Rheocasting vor allem für Gießereien, die im Niederdruckguss tätig sind. „Mit Rheocasting können Gießereien den Schritt zum Hochdruck-Druckguss (HPDC) machen und so neue Marktsegmente erschließen“, erklärt Zetterström. Warum dies wichtig ist, liegt auf der Hand: Die E-Mobilität beflügelt den Druckguss zwar, reduziert aber auch die Zahl der Gussteile in Elektrofahrzeugen, während die Komplexität der verbleibenden Bauteile steigt. Ein Paradoxon, mit dem insbesondere kleine und mittelständische Gießereien kämpfen.

Im Wärmemanagement eröffnen sich laut Zetterström dagegen Chancen:
„Rheocasting konkurriert zunehmend mit stranggepressten Kühlkörpern , erreicht Wärmeleitwerte von bis zu 185 W/mK – und ist kosteneffizienter in der Fertigung.“ Darüber hinaus ermögliche das Verfahren die Verarbeitung niedrig legierter Aluminiumtypen, was es interessant für Strukturbauteile im Body-in-White-Bereich mache.
„Das umfasst weit mehr als die bekannten Batteriegehäuse oder Hinterbodenstrukturen von E-Autos“, ergänzt er.
Nachhaltigkeit als Entwicklungstreiber
Auch ökologische Aspekte tragen dazu bei, dass Rheocasting an Bedeutung gewinnt. Das Verfahren ermöglicht in mehreren Bereichen eine Verringerung des CO2-Ausstoßes entlang der Prozesskette.
Zum einen kommen neu entwickelte Aluminiumlegierungen zum Einsatz, die bereits in der Herstellung geringere Emissionen aufweisen. Zum anderen erlaubt die halbflüssige Prozessführung die Fertigung eben leichtere, dünnwandigere Bauteile – die bei gleicher Stabilität weniger Material benötigen.
„Die Kombination dieser Effekte reduziert die CO2-Emissionen in der Produktion deutlich“, so Zetterström. Langfristig könnte das Verfahren somit dazu beitragen, die Energie- und Ressourceneffizienz in der Gießereiindustrie zu erhöhen – ein Thema, das in Forschung und Entwicklung zunehmend Gewicht erhält, auch im Kontext europäischer Klimaziele und Nachhaltigkeitsstrategien vieler OEMs.
Rheocasting auf der EUROGUSS 2026
Wie stark das Interesse an dem Verfahren inzwischen gewachsen ist, zeigt sich auch auf der EUROGUSS 2026. Dort wird Rheocasting erstmals mit einem eigenen Gemeinschaftsstand vertreten sein. Unternehmen wie Comptech Rheocasting präsentieren dort gemeinsam mit Partnern Bauteile, Werkstofflösungen und Forschungsergebnisse. Ziel ist es, Hersteller, Anwender und Zulieferer zusammenzubringen und die Potenziale der Technologie erlebbar zu machen.
„Der Pavilion wird zum Epizentrum des Rheocastings auf der EUROGUSS“, sagt Zetterström. „Hier treffen sich alle, die verstehen wollen, welche Chancen das halbflüssige Gießen für die Druckgussindustrie eröffnet.“
Rheocasting ist weniger eine Revolution als ein Schritt in Richtung technischer Differenzierung. Ob sich Rheocasting in der Breite etabliert? Eine Sache der Investitionsbereitschaft und des Know-How-Transfers. Doch die Rahmenbedingungen sprechen dafür, dass aus der Nische ein Markt entsteht.

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