• 05.06.2025
  • Fachbericht

Marktdaten-Cockpit für eine smartere Druckgussindustrie

Die europäische Druckgussbranche steht unter massivem Druck: Die Nachfrage sinkt, der Wettbewerb verschärft sich, traditionelle Geschäftsmodelle geraten ins Wanken. Doch wo andere den Rückzug beklagen, erkennt Raphael Heilig eine Chance – vorausgesetzt, die Branche ist mutig genug, sich neu zu bewerten. In einer Ausgabe des Goldcasting Podcasts präsentierte der Gründer des Softwareunternehmens Teraport und Teilnehmer am EUROGUSS Executive Circle eine Reihe konkreter Ansatzpunkte.

Pilot sitzt in einem Cockpit

Wenn man fragt, ob es ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal gibt, muss man so weit gehen und die kühne Frage stellen: Gibt es überhaupt eine Rechtfertigung für die Existenz der europäischen Druckgussindustrie?“, sagt Raphael Heilig provokativ. 

Wir werden den Wettbewerb über den Preis vermutlich nicht gewinnen.

Stattdessen plädiert er dafür, den Fokus auf Zeit und Qualität zu legen – die beiden anderen Eckpunkte des sogenannten „magischen Dreiecks“ der Fertigung. „Genau da setzen wir als Softwareunternehmen an: unseren Kunden ein Werkzeug zu geben, um ihre Time-to-Market zu verkürzen und die Qualität in einer früheren Phase der Produktentwicklung zu erhöhen.

Diese Verlagerung erfordert laut Heilig einen grundlegenden Mentalitätswandel – weg vom Problemdenken, hin zu konstruktivem Gestalten. 

Wir machen transparent, in was für einer Situation wir uns befinden, und dann legen wir los.

 

Vom Bauchgefühl zur Messbarkeit

Heilig setzt konsequent auf datengetriebene Transformation. „Wir müssen uns auf Themen wie künstliche Intelligenz konzentrieren – oder noch einfacher: auf Big Data“, sagt er. „Etwas Gutes mit den eigenen Daten anzufangen, das kann man hier und jetzt tun.


Dazu braucht es jedoch sinnvolle Kennzahlen. „Wenn du die nicht hast, bist du wie jemand, der versucht abzunehmen, aber keine Waage hat und nichts über Nährwerte weiß“, erklärt er. „Viel Glück. Du kannst dann nur weniger essen als gestern – aber du hast kein echtes Ziel.“ 

Heilig verweist auf Branchen wie das digitale Marketing, wo Methoden ständig verglichen und anhand von Kennzahlen optimiert werden. Diese Logik müsse nun auch im Druckguss ankommen.


Das Marktdaten-Cockpit

Einer von Heiligs zentralen Vorschlägen ist die Einrichtung eines Marktdaten-Cockpits – eines zentralen Dashboards, das Handelsströme, Preistrends, Lieferengpässe und weitere Entwicklungen sichtbar macht. Und das ist keine Utopie. „Diese Daten... gehören allen. Sie müssen nur sinnvoll gesammelt, aufbereitet und so dargestellt werden, dass sie Mehrwert schaffen“, sagt Heilig.


Der Blick auf andere Branchen zeigt: Ein solches System könnte Zoll- und Handelsdaten (CBAM, US-China-Zölle), Inflations- und Wechselkursentwicklungen in Beschaffungsregionen sowie Containerpreise und Logistikdaten erfassen. Auch die Entwicklung der CO₂-Kosten und regulatorische Trends in Europa und weltweit wären abbildbar. Daten zu Werkzeugverfügbarkeit, Vorlaufzeiten und Projektanzahl je Branche oder Region könnten Gießereien helfen, Investitionsentscheidungen besser zu treffen. Ergänzt um anonymisierte Benchmarks zu Angebotsgeschwindigkeit, Durchlaufzeiten oder Ausschussquoten ergäbe sich ein leistungsstarkes Steuerungsinstrument.

Der Verband VDMA beispielsweise bietet den Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus mit dem „Business Climate Cockpit“ ein Echtzeit-Tool, das Stimmungsbilder, Kapazitätsauslastung und Auftragstrends branchenweit und anonymisiert abbildet. Volkswagen nutzt den „Supply Chain Control Tower“, um weltweite Risiken, Transportwege und Materialverfügbarkeiten zu überwachen.

Warum sollte jede kleinere Gießerei oder jeder kleinere Formenbauer diese Aufgabe selbst übernehmen?“ fragt Heilig.

Der Markt ist zu klein, als dass ein Dritter einspringen könnte, und die Aufgabe ist zu groß, als dass sie von einem einzelnen Unternehmen bewältigt werden könnte. Warum nicht mit einem Verbund wie dem EUROGUSS Executive Circle anpacken und versuchen, gemeinsam etwas zu installieren, das einen Mehrwert schafft und einen Vorsprung gegenüber dem Mitbewerber gibt?"

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Internes Benchmarking: Hosen runter

Neben Marktdaten plädiert Heilig für ein einheitliches internes Benchmarking, das die digitale Reife und Prozesseffizienz bewertet. „Es wäre schön, eine Blaupause zu schaffen: Mache ich in meinem Unternehmen alles richtig? Habe ich den richtigen Digitalisierungsgrad?“, sagt er. „Klar, da gibt es immer das Problem mit den internen Daten. Du musst, salopp gesagt, die Hosen runterlassen. Du musst jemanden an deine sehr intimen Daten lassen.


Doch ohne Transparenz sei keine Transformation möglich. „Wir befinden uns im Fegefeuer. Manche Unternehmen müssen sterben – Punkt. Und nur die, die mutig genug sind, sich radikal neu zu bewerten, werden stark genug sein, um zu überleben.


Für Heilig ist die Krise kein Argument für Stillstand. „Ist es leicht, Geld auszugeben, wenn du kaum etwas im Portemonnaie hast? Nein. Es ist die schwierigste Situation“, sagt er. „Aber genau dann musst du die richtigen Investitionsentscheidungen treffen.“ Doch dafür brauche es Beweise. „Du brauchst jemanden, der dir sagt: Da steckt Potenzial. Dort ist dein Prozess schwach. Dort hast du die falschen Optimierungsansätze. Dann kannst du das Hindernis überwinden.

 

Von gemeinsamer Präsenz zu gemeinsamer Aktion

Zum Schluss kehrt Heilig zur Kernidee zurück: Gemeinsame Präsenz darf kein Schlagwort bleiben, sondern muss sich in gemeinsamer Infrastruktur niederschlagen – gemeinsame Tools, gemeinsame Daten, gemeinsame Stärke.
Wenn man sich trifft, um zu jammern – warum nicht auch treffen, um zu gestalten? Um zu pushen? Um etwas zu tun?“, fragt er. 

Dann haben wir ein Alleinstellungsmerkmal. Dann haben wir etwas, worauf wir zeigen können.


Seine Botschaft ist eindeutig: Die europäische Druckgussindustrie hat eine Zukunft – aber nur, wenn sie aufhört, sich zu verstecken, beginnt zu messen und gemeinsam handelt.

EUROGUSS Executive Circle: Forum für die Zukunft des Druckgusses

Teilnehmer des EUROGUSS Executive Circle versammeln sich in einem Raum.

Der EUROGUSS Executive Circle vereint führende Vertreter der europäischen Druckgussindustrie. Ziel ist es, gemeinsame Herausforderungen durch abgestimmtes Handeln anzugehen. Durch die Bündelung von Strategien über Unternehmens- und Ländergrenzen hinweg gibt der Circle der Druckgussbranche in Europa eine stärkere, einheitlichere Stimme.

Am 1. und 2. Juli treffen sich erneut Führungskräfte aus der gesamten Wertschöpfungskette. Unter dem Motto „Weniger Vergangenheit, mehr Zukunft“ sprechen die Teilnehmer über Kunden und Markt, internationale Sichtbarkeit und Marketing sowie Employer Branding. 

 

 

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