„Wenn man fragt, ob es ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal gibt, muss man so weit gehen und die kühne Frage stellen: Gibt es überhaupt eine Rechtfertigung für die Existenz der europäischen Druckgussindustrie?“, sagt Raphael Heilig provokativ.
„Wir werden den Wettbewerb über den Preis vermutlich nicht gewinnen.“
Stattdessen plädiert er dafür, den Fokus auf Zeit und Qualität zu legen – die beiden anderen Eckpunkte des sogenannten „magischen Dreiecks“ der Fertigung. „Genau da setzen wir als Softwareunternehmen an: unseren Kunden ein Werkzeug zu geben, um ihre Time-to-Market zu verkürzen und die Qualität in einer früheren Phase der Produktentwicklung zu erhöhen.“
Diese Verlagerung erfordert laut Heilig einen grundlegenden Mentalitätswandel – weg vom Problemdenken, hin zu konstruktivem Gestalten.
„Wir machen transparent, in was für einer Situation wir uns befinden, und dann legen wir los.“
Vom Bauchgefühl zur Messbarkeit
Heilig setzt konsequent auf datengetriebene Transformation. „Wir müssen uns auf Themen wie künstliche Intelligenz konzentrieren – oder noch einfacher: auf Big Data“, sagt er. „Etwas Gutes mit den eigenen Daten anzufangen, das kann man hier und jetzt tun.“
Dazu braucht es jedoch sinnvolle Kennzahlen. „Wenn du die nicht hast, bist du wie jemand, der versucht abzunehmen, aber keine Waage hat und nichts über Nährwerte weiß“, erklärt er. „Viel Glück. Du kannst dann nur weniger essen als gestern – aber du hast kein echtes Ziel.“
Heilig verweist auf Branchen wie das digitale Marketing, wo Methoden ständig verglichen und anhand von Kennzahlen optimiert werden. Diese Logik müsse nun auch im Druckguss ankommen.
Das Marktdaten-Cockpit
Einer von Heiligs zentralen Vorschlägen ist die Einrichtung eines Marktdaten-Cockpits – eines zentralen Dashboards, das Handelsströme, Preistrends, Lieferengpässe und weitere Entwicklungen sichtbar macht. Und das ist keine Utopie. „Diese Daten... gehören allen. Sie müssen nur sinnvoll gesammelt, aufbereitet und so dargestellt werden, dass sie Mehrwert schaffen“, sagt Heilig.
Der Blick auf andere Branchen zeigt: Ein solches System könnte Zoll- und Handelsdaten (CBAM, US-China-Zölle), Inflations- und Wechselkursentwicklungen in Beschaffungsregionen sowie Containerpreise und Logistikdaten erfassen. Auch die Entwicklung der CO₂-Kosten und regulatorische Trends in Europa und weltweit wären abbildbar. Daten zu Werkzeugverfügbarkeit, Vorlaufzeiten und Projektanzahl je Branche oder Region könnten Gießereien helfen, Investitionsentscheidungen besser zu treffen. Ergänzt um anonymisierte Benchmarks zu Angebotsgeschwindigkeit, Durchlaufzeiten oder Ausschussquoten ergäbe sich ein leistungsstarkes Steuerungsinstrument.
Der Verband VDMA beispielsweise bietet den Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus mit dem „Business Climate Cockpit“ ein Echtzeit-Tool, das Stimmungsbilder, Kapazitätsauslastung und Auftragstrends branchenweit und anonymisiert abbildet. Volkswagen nutzt den „Supply Chain Control Tower“, um weltweite Risiken, Transportwege und Materialverfügbarkeiten zu überwachen.
„Warum sollte jede kleinere Gießerei oder jeder kleinere Formenbauer diese Aufgabe selbst übernehmen?“ fragt Heilig.
„Der Markt ist zu klein, als dass ein Dritter einspringen könnte, und die Aufgabe ist zu groß, als dass sie von einem einzelnen Unternehmen bewältigt werden könnte. Warum nicht mit einem Verbund wie dem EUROGUSS Executive Circle anpacken und versuchen, gemeinsam etwas zu installieren, das einen Mehrwert schafft und einen Vorsprung gegenüber dem Mitbewerber gibt?"