• 17.07.2025
  • Fachbericht

Die Gießereiindustrie ist bereit: Appell für partnerschaftliche Zusammenarbeit mit OEMs

Die europäische Druckgussindustrie steht an einem Wendepunkt. Technologischer Wandel, der weltweite Konkurrenzdruck und immer kürzere Entwicklungszyklen der Automobilhersteller fordern ein Umdenken entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Klar ist: Die Gussbranche ist bereit, Verantwortung zu übernehmen. Was fehlt, ist eine neue Form der Zusammenarbeit mit den OEMs – verlässlicher, transparenter, partnerschaftlicher.
Spielzeugauto auf einem Bauplan

Katrin Grebe macht deutlich: Wer zu spät ist, verliert den Anschluss – so lautet ihre Botschaft zur nötigen Geschwindigkeit in Entwicklungsprozessen. Grebe ist Geschäftsführerin des Werkzeugbauunternehmens Krämer & Grebe. Das Familienunternehmen entwickelt und fertigt Werkzeuge für nahezu alle Gießverfahren und ist eng mit der europäischen Automobilzulieferindustrie vernetzt. Grebe kennt die Herausforderungen der Branche aus langjähriger Erfahrung – und sie engagiert sich aktiv im EUROGUSS Executive Circle, um die Zukunft des europäischen Druckgusses mitzugestalten. Ihre Einschätzung und die ihrer Mitstreiter im Executive Circle zum Stand der Zusammenarbeit hat sie zuletzt im Podcast “Goldcasting” gemeinam mit den Moderatoren Fabian Niklas und Staffan Zetterström diskutiert.

 

Kontakt läuft über den Einkauf

Eines der größten Probleme: Zulieferer können frühzeitig entscheidende Impulse einbringen. Doch wenn das Projekt von der Entwicklung in den Einkauf wechselt, wird dieses Wissen häufig entkoppelt – und durch reine Preisvergleiche ersetzt. Statt verlässlicher Partnerschaft zählen dann oft nur noch Centbeträge.

Gerade im sogenannten Frontloading könnten OEMs gemeinsam mit Gießereien und Werkzeugmachern die entscheidenden Stellschrauben setzen – technisch wie wirtschaftlich. Doch dafür bräuchte es verbesserte Strukturen: Kommunikation auf Augenhöhe, Transparenz über Projektgrenzen hinweg, gemeinsame Zieldefinitionen. Heute aber sprechen viele Zulieferer nur noch mit dem Einkauf – nicht mit den Entwicklern.

Frontloading: frühes Mitdenken statt spätes Nachbessern

In der Zusammenarbeit zwischen OEMs und Gießereien bedeutet Frontloading, dass technisches Know-how der Zulieferer schon in den frühen Phasen der Produktentwicklung eingebunden wird – also noch bevor Konstruktionen, Werkstoffe und Fertigungsverfahren final festgelegt sind. Ziel ist es, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen, Optimierungen vorzunehmen und teure Änderungen in der späteren Industrialisierung zu vermeiden. Nur wenn Gießbarkeit, Werkzeugauslegung und Bauteilgeometrie gemeinsam abgestimmt werden, entstehen am Ende wirtschaftlich und technisch optimale Lösungen.

Katrin Grebe unterstreicht die Bedeutung der frühzeitigen Zusammenarbeit: „Gerade im Frontloading sehen wir als Werkzeugbauer, dass Idee, Gießverfahren und vor allem das Werkzeug Hand in Hand gehen müssen – sonst drohen am Ende teure Kompromisslösungen.“


Unterschiede zwischen Europa und China

Was vielerorts in Asien und auch in den USA praktiziert wird, wird hierzulande oft durch starre Prozesse und Silodenken verhindert. Besonders auffällig ist der Unterschied zwischen traditionellen europäischen OEMs mit stark formalisierten Abläufen und neuen Marktteilnehmern, etwa chinesischen Herstellern. Entscheidungen werden dort schneller getroffen, technische Rückfragen landen direkt bei Experten, und Partnerschaften werden nicht allein über den Preis definiert.

Staffan Zetterström hält die Strategie mancher europäischen OEMs nicht für besonders weitblickend: Wer heute aus kurzfristigen Preisgründen auf erfahrene Zulieferer aus Europa verzichtet, verschwendet nicht nur eingebrachtes Know-how, sondern zerstört auch eigene Handlungsoptionen in der Zukunft. Die vermeintliche Ersparnis beim Einkauf relativiert sich spätestens dann, wenn Qualität, Logistik oder Weiterentwicklung stocken oder Anbieter vom Markt verschwinden. Wirklich strategisch sei das nicht – sondern gefährlich kurz gedacht.


Input bleibt ungenutzt

Zetterström weist zudem auf ein strukturelles Problem hin: „In Europa gibt es keinen einheitlichen Ansatz, um die tatsächlichen Kosten eines Bauteils transparent zu kalkulieren – von Werkzeug über Produktion bis Logistik.“

Viele Zulieferer sind längst bereit, Verantwortung über das einzelne Bauteil hinaus zu übernehmen. Sie bieten Gesamtlösungen an, denken in Prozessketten, liefern Input für Nachhaltigkeit, Effizienz und CO₂-Reduktion. All das bleibt aber oft ungenutzt.

Fabian Niklas betont, dass viele Gießereien bereit sind, ihr Wissen frühzeitig einzubringen – aber nicht ohne klare Perspektive: „Wenn man schon in der ersten Phase eines Produkts viel Arbeit investiert, um das beste Ergebnis zu erzielen, muss auch klar sein, dass man später den Zuschlag für die Serienfertigung bekommt.“


Alle Stufen der Wertschöpfung zusammenbringen

Netzwerke wie der EUROGUSS Executive Circle, in dem Grebe mitarbeitet, versuchen genau hier anzusetzen: Akteure aus allen Stufen der Wertschöpfung zusammenzubringen, gemeinsame Projekte anzustoßen und Strukturen für vertrauensvolle Zusammenarbeit zu schaffen. Katrin Grebe bringt es auf den Punkt: Es braucht keine weiteren Studien, keine langwierigen Analysen. Sondern den Mut, zu starten. Jetzt.