• 11.12.2025
  • Expertenstimmen

Technologischer Neustart im Leichtmetallguss

Die deutsche Leichtmetallgussindustrie operiert in einem Zustand der permanenten Krise, geprägt von untragbarer Ineffizienz, sagen Ashley Stone und Edo Meyer. Um im globalen Wettbewerb zu überleben, sei eine technologische Neuausrichtung keine Option mehr, sondern eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Ihre Analyse der aktuellen Betriebspraktiken offenbare eine Reihe Herausforderungen, die das Fundament der Branche bedrohen würden.

Geschrieben von Ashley Stone & Edo Meyer

Close-up of liquid metal flowing in a viscous stream.

Eine Analyse von aktuellen Betriebspraktiken zeigt drei Handlungsfelder für die deutsche Leichtmetallgießereien:
 

  • Energieverluste: Die Prozess-Energieausbeute liegt bei nur 6,25 Prozent. Diese massive Ineffizienz belastet nicht nur die Betriebskosten erheblich, sondern stellt auch ein signifikantes unternehmerisches Risiko in Zeiten volatiler Energiemärkte dar. Eine Analyse von Sebastian Müller, Professor am Lehrstuhl für Gießereitechnik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, zusammen mit Berechnungen von Stone zeigt, dass allein für das Jahr 2019 eine potenzielle Stromeinsparung von bis zu 500 Millionen Euro für die gesamte Branche möglich gewesen wäre. Dafür müssen alle Gieß-Prozesse nur mit Strom betrieben werden.
  • Materialverschwendung: Der Materialeinsatz ist bis zu doppelt so hoch, als für die Herstellung der Endprodukte erforderlich wäre. Komplexe Anguss- und Verteilersysteme, die im traditionellen Gussverfahren notwendig sind, führen zu erheblichem Abfall, Recyclingaufwand und unnötigen Kosten, die direkt die Profitabilität schmälern.
  • CO₂-Emissionen: Der ökologische Fußabdruck ist alarmierend. Deutsche Leichtmetallgießereien stoßen jährlich etwa 1,22 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalente (CO₂e) aus. Dieser Wert ist nicht nur ökologisch bedenklich, sondern wird angesichts strengerer Umweltauflagen und der steigenden Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien für Kunden und Investoren zu einer Belastung.
     

Damit steht die Branche vor gleichermaßen ökonomischen und ökologischen Herausforderungen. Kleine Optimierungen reichen dafür nicht aus. Gefragt ist eine disruptive Lösung.

Flüssiges Metall wird aus einer Pfanne in Formen gegossen.

Neue Ansätze für effizientes Gießen

Innovative Technologien zeigen, wie sich Leichtmetallguss nachhaltiger und wirtschaftlicher gestalten lässt. Am Beispiel von modernen Semi-Solid- oder Thixo-casting-Ansätzen wird deutlich, wie Gießereien präzise, KI-basierte Prozessteuerung mit reduziertem Energieeinsatz kombinieren. Statt große Mengen vollständig zu schmelzen, wird nur die tatsächlich benötigte Menge in einen teilflüssigen Zustand überführt – direkt an der Maschine und bedarfsgerecht. Der energieintensive Transport flüssiger Schmelzen durch die Gießerei und das Warmhalten in Öfen entfällt.

Ein Prinzip wie das von MAXImolding eröffnet damit neue Möglichkeiten für stabile Prozesse, höhere Bauteilqualität und geringeren Materialverbrauch. Der Unterschied zum traditionellen Ansatz lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Tabelle mit unterschiedlichen Ansätzen beim Guss

Neue Eigenschaften, neue Anwendungsfelder

Der technologische Wandel vom Gießen einer überhitzten Flüssigschmelze zur Verarbeitung von einem präzise temperierten, teilkristallinen Brei ist die Grundlage für quantifizierbare Vorteile, die weit über reine Kosteneinsparungen hinausgehen. 

Die Verarbeitung im teilflüssigen Zustand führt zu einer sphärischen und nicht-dendritischen Mikrostruktur des Materials. Dies resultiert in verbesserten mechanischen Eigenschaften und einer höheren Bauteilqualität im Vergleich zum konventionellen Hochdruckdruckguss (HPDC). Das eröffnet neue Anwendungsfelder für Gussteile, etwa für sicherheitsrelevante oder hochbelastete Komponenten. 
 

Tabelle mit unterschiedlichen Eigenschaften bei Gussteilen

Energie- und Kostensenkung durch effiziente Prozesse

Durch niedrigere Prozesstemperaturen, kürzere Wege und eine bedarfsgerechte Energiezufuhr lässt sich der Verbrauch signifikant reduzieren. MAXImolding spricht in diesem Fall von einer potenziellen Energieeinsparung von 85 bis 90 Prozent durch folgende Maßnahmen: 
 

  • Niedrigere Verarbeitungstemperaturen: Magnesiumlegierungen wie AZ91D werden bei 480 bis 580 Grad Celsius verarbeitet, anstatt bei 600 bis 680 Grad Celsius im flüssigen Zustand.
  • Eliminierung von Verlustquellen: Der Wegfall zentraler Schmelzöfen, des Schmelzetransports und der Warmhalteprozesse reduziert die größten Energieverluste um bis zu 60 Prozent im Vergleich zum traditionellen Verfahren.
  • Bedarfsgerechte Erzeugung: Energie wird nur dann eingesetzt, wenn tatsächlich ein Gussteil produziert wird. Die erforderliche Wärmeenergie wird direkt an der Maschine von Raumtemperatur bis zur Semi-Solid-Temperatur langsam und präzise in die Späne eingeleitet.
  • Effizienter Materialeinsatz: Neue Einspritztechniken ermöglichen eine nahezu verlustfreie Verarbeitung. So kann der Materialverbrauch beispielsweise durch die Direkteinspritzung um bis zu 50 Prozent gesenkt werden, was Kosten für Recycling, Rohmaterial und Nachbearbeitung reduziert.
  • Beitrag zur Nachhaltigkeit: Zum Beispiel lassen sich durch den konsequenten Einsatz erneuerbarer Energiequellen zur Beheizung des Reaktors ein nahezu emissionsfreier Betrieb ermöglichen. Dies stärkt nicht nur die Marke und erfüllt die Nachhaltigkeitsziele von Kunden, sondern sichert auch die langfristige „License to Operate“ in einem zunehmend regulierten Umfeld. 


Diese Vorteile stellen nicht nur traditionelle Prozesse in Frage, sondern rücken Semi-Solid-Prozesse als schlanke Alternative zu kapitalintensiven Megaprojekten wie dem Giga-Press-Ansatz in den Vordergrund.

 

Flexibel statt gigantisch

Während Gigapressen auf Masse und Kapitalstärke setzen, entsteht parallel eine Gegenbewegung: kleinere, skalierbare und modulare Anlagen, die sich in bestehende Strukturen integrieren lassen. Dieser Ansatz verbindet Energieeffizienz mit Agilität – und schafft neue Chancen für kleine und mittelständische Gießereien.

Kurze Wege, geringere Schließkräfte und ein schlankes Layout machen Prozesse nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch anpassungsfähiger in einem Markt, der sich permanent wandelt.
 

Tabelle mit Eigenschaften von Druckgussmaschinen

Investieren mit geringem Risiko

Die Einführung neuer Technologien ist oft mit hohen Anfangsinvestitionen und Implementierungsrisiken verbunden. Solche Innovationen müssen sich demnach auch wirtschaftlich rechnen. Deshalb gewinnen as-a-Service-Modelle an Bedeutung. Sie erlauben es Unternehmen, neue Technologien zu nutzen, ohne hohe Anfangsinvestitionen zu tätigen. 

Anstatt eine komplette Zelle zu kaufen, mieten Unternehmen einen Reaktor zum Nachrüsten einer Kaltkammer-Druckguss-Maschine zu einer festen monatlichen Gebühr: SSM-Reactor as a Service. Wartung, Schulung und Updates sind bei solchen Modellen häufig integriert – das reduziert die Einstiegshürde für den Mittelstand und macht technologische Erneuerung planbar.

Darstellung des MAXImolding Reaktors
Tabelle mit unterschiedlichen Aspekten von Kaufen oder Mieten
Passagierflugzeug im Flug vor wolkigem Himmel

Marktpotenzial und Zukunftssicherheit

Allein in den USA wird das jährliche Marktvolumen von Semi-Solid-Teilen auf rund 35 Milliarden US-Dollar geschätzt, weltweit liegt es nach aktuellen Prognosen bei über 100 Milliarden US-Dollar. Für die deutsche Leichtmetallgießerei bedeutet das: Wer heute in investiert, positioniert sich in einem Milliardenmarkt mit Wachstumspotenzial.

Zum einen steigt die Nachfrage nach leichten, hochleistungsfähigen Komponenten, insbesondere im Fahrzeugbau. Zum anderen beschleunigt die Elektrifizierung der Automobilindustrie die Entwicklung neuer Werkstoffe und Fertigungstechnologien. Hinzu kommen Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Unterhaltungselektronik, wo Gewicht, Präzision und Wärmeableitung entscheidende Kriterien sind.
 

Schließlich wirken auch strenge Nachhaltigkeitsvorgaben und CO₂-Reduktionsziele als zusätzlicher Impuls, die den Einsatz energieeffizienter Gießverfahren weiter fördern.

 

As a Service als Erfolgsmodell

Mit Konzepten wie SSM-Reactor as a Service zeigt sich, dass technologische Innovation in der Leichtmetallgießerei nicht zwingend mit hohem Investitionsrisiko verbunden sein muss. Das Modell überträgt Prinzipien aus der IT- und Produktionsdigitalisierung auf den Gießprozess: Nutzung statt Besitz. Unternehmen profitieren von planbaren Kosten, kontinuierlichen Updates und technologischem Know-how, ohne Kapital zu binden.

Im Zentrum des Ansatzes stehen vier miteinander verknüpfte Leistungsversprechen: Bauteilqualität, die neue Märkte und anspruchsvolle Anwendungen erschließt; Zeit- und Effizienzgewinne durch einen deutlich vereinfachten Prozess und ein servicebasiertes Nutzungsmodell; Energieeinsparungen von bis zu 90 Prozent, die eine stabile Kostenbasis schaffen und die Produktion widerstandsfähiger machen; sowie eine zukunftssichere Technologie, die ökologische Ziele erfüllt, das Arbeitsumfeld verbessert und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit stärkt.
 

Autor

Ashley Stone
Ashley Stone
CTO
Edo Meyer
Edo Meyer
CEO