• 12.05.2025
  • Fachbericht

Innovativer Stahlguss mit TRIP/TWIP-Effekt bietet neue Möglichkeiten für sicherere und nachhaltigere Bauteile

Im Rahmen des DFG-geförderten Forschungsvorhabens „Kaltumformung von Stahlguss“ ist es dem Fraunhofer IWU gemeinsam mit der TU Bergakademie Freiberg gelungen, einen kaltumformbaren, austenitischen Stahlguss mit TRIP/TWIP-Eigenschaften zu entwickeln. Die neue Legierung vereint hohe Festigkeit mit gleichzeitig großer Duktilität und eignet sich für Anwendungen, bei denen Bauteile höchsten Sicherheits- und Belastungsanforderungen genügen müssen.

Closeup von einem Gebirgsanker aus metall
Grafik über die Herstellung von Verbindungselementen aus Drahthalbzeugen
Herstellung von Verbindungselementen aus Drahthalbzeugen: Gegenüber der herkömmlichen Prozesskette entfallen durch die Kaltmassivumformung die Schritte Warmwalzen (2), Wärmebehandlung (3), Entzundern (4) und Kaltziehen/-walzen auf Endmaß (5). Jährlich könnten in Deutschland 1,5 GJ/t Energie und 40 Tonnen CO2 eingespart werden.

Mikrostruktur als Schlüssel: Der TRIP/TWIP-Effekt


Die herausragenden mechanischen Eigenschaften des neuen Werkstoffs basieren auf dem sogenannten TRIP- (Transformationsinduzierte Plastizität) und TWIP-Effekt (Zwillingsinduzierte Plastizität).

 

  • TRIP-Effekt: Unter mechanischer Beanspruchung wandelt sich ein Teil des Austenits, einer weichen und zähen Gefügephase, in Martensit um, also in eine harte und feste Phase. Diese Umwandlung führt zu einer lokalen Verfestigung des Materials und erhöht seine Widerstandsfähigkeit gegen Risse.

     

  • TWIP-Effekt: Hierbei bilden sich im Austenit sogenannte Verformungszwillinge, die ebenfalls zu einer Verfestigung und Erhöhung der Zähigkeit des Materials beitragen.

„Durch die Kombination dieser beiden Effekte wird die Festigkeit des Werkstoffes signifikant erhöht und das Bauteilversagen unter dynamischer Belastung verzögert. Zudem verbessern sich das Umformvermögen und das Energieaufnahmevermögen im Falle eines Aufpralls erheblich“, erläutert Nadine Lehnert, Projektleiterin am Fraunhofer IWU.

Die Prozesskette beginnt mit einem grobkörnigen Gussrohling. In der Kaltmassivumformung wird dieser durch Fließpressen teilweise martensitisch verfestigt. Eine anschließende Wärmebehandlung wandelt den Martensit zurück in feinkörnigen Austenit. Diese strukturmechanische Steuerung erlaubt eine gezielte Verbesserung der Bauteileigenschaften.

 

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten in sicherheitskritischen Bereichen


Die neue Legierung eignet sich aufgrund ihrer hohen Festigkeit, Rissbeständigkeit und Duktilität für verschiedenste Branchen:

 

  • Automobilbau: Schrauben, Fahrwerksbauteile, Crashabsorber und Karosseriestrukturen profitieren von der hohen Energieaufnahme und Crashsicherheit des Materials.
  • Luft- und Raumfahrt: Strukturbauteile und Befestigungselemente können durch den neuen Stahlguss leichter und widerstandsfähiger gestaltet werden.
  • Medizintechnik: Implantate und chirurgische Instrumente können durch die hohe Biokompatibilität und Festigkeit des Materials optimiert werden.
  • Bauwesen und Infrastruktur: Gebirgsanker und Befestigungselemente für Brücken und Tunnel können durch die hohe Rissbeständigkeit des Materials sicherer gemacht werden. Denn die Legierung spielt ihre Vorteile aus, wo es auf die Haltbarkeit des Materials auch unter extremen Belastungen ankommt.

     

Energieeffiziente Kaltumformung als Produktionsvorteil


Der neue Werkstoff eignet sich ideal für die energieeffiziente Kaltmassivumformung. Diese vermeidet aufwendige Wärmeprozesse wie Vorwärmen, Walzen oder Entzundern und spart dadurch CO₂ und Betriebskosten. Gleichzeitig wird die Prozesskette deutlich verkürzt.

Die Prozesskette der Kaltumformung ist deutlich kürzer und effizienter. Wir beginnen mit einem vorgegossenen Werkstück, das dann direkt umgeformt wird“, so Lehnert.

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Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit im Fokus


Neben den technischen Vorteilen trägt die Entwicklung des neuen Stahlgusses auch zur Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit bei.

 

  • Ressourcenschonung, gesundheitliche Aspekte: Der teilweise Ersatz von Nickel durch Kupfer reduziert den Einsatz teurer und knapper Ressourcen sowie die gesundheitlichen Gefahren bei der Verarbeitung.
  • Energieeinsparung: Die Kaltumformung verbraucht deutlich weniger Energie als die Warmumformung, was zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen führt.
  • Kosteneffizienz: Die vereinfachte Prozesskette, der geringere Materialeinsatz und der niedrigere Gasverbrauch (Kaltmassivumformung) senken die Produktionskosten

     

Zukunftsperspektive: Vom Labor in die Industrie


Die bisherigen Ergebnisse schaffen eine solide Grundlage für die industrielle Anwendung der neuen Technologie. Zukünftige Arbeiten konzentrieren sich auf die Optimierung des Umformprozesses und die gezielte Einstellung von Materialeigenschaften.

Unser Ziel ist es, die Potenziale des TRIP/TWIP-Effekts voll auszuschöpfen und die wirtschaftliche Herstellung von hochleistungsfähigen Bauteilen für eine Vielzahl von Anwendungen zu ermöglichen“, so Lehnert abschließend.

 

Lesen sie die offizielle Pressemitteilung des Frauenhofer IWUhier.