• 03.09.2025
  • Fachbericht

Coffee Talk mit JJ Heldt: Einkauf neu denken

Im Gespräch mit JJ Heldt, Delegiertenvorsitzender des BME, wird klar: Strategischer Einkauf muss heute schneller, vernetzter und technischer sein – ohne klassische Werte wie Qualität und Partnerschaft aus den Augen zu verlieren.

Geschrieben von Editors EUROGUSS 365

JJ Heldt

Strategischer Einkauf ist heute mehr denn je die Kunst, auf Sicht zu fahren – und trotzdem den nächsten Sturm schon kommen zu sehen.

 

In Zeiten geopolitischer Unsicherheit, steigender Kosten und immer schnellerer Innovationszyklen steht der strategische Einkauf unter enormem Druck. JJ Heldt, Director Sales und Commercial Excellence bei Bosch Rexroth, hat im Rahmen des EUROGUSS Executive Circle mit Teilnehmern über genau diese Herausforderungen gesprochen – und erklärt im Interview, warum Geschwindigkeit, Netzwerke und technisches Verständnis heute über Wettbewerbsfähigkeit entscheiden.

 

Herr Heldt, auf dem EUROGUSS Executive Circle wurde deutlich, wie stark die europäische Industrie unter internationalem Druck steht. Welche Rolle kann der strategische Einkauf spielen, um Unternehmen resilienter zu machen?

 

Heldt: Strategischer Einkauf bedeutet, sich möglichst breit aufzustellen. Wirtschaftlich heißt das: Dual-Source-Strategien für kritische Materialien aufbauen, um Abhängigkeiten zu reduzieren. Die vier Säulen des strategischen Einkaufs – Logistik, Qualität, Preis und technologische Anforderungen – sind dabei das Fundament. Gleichzeitig muss man immer mitdenken, wo die nächste Krise entstehen könnte – und schon vorher darauf vorbereitet sein.

 

Sie haben sowohl in Osteuropa als auch in den USA Werke verantwortet. Wo liegen die Stärken und Schwächen des europäischen Einkaufs im internationalen Vergleich?

 

Heldt: Europa ist ein komplexer, bunter Markt – unterschiedliche Länder, Kulturen, technologische Expertisen und Kostenniveaus. Das macht uns beweglich und öffnet den Zugang zu Amerika und China. Wir gehen natürlicher mit internationalen Partnern um – das Lewis Modell zeigt sehr gut, wie kulturelle Unterschiede effizient genutzt werden können.

Unsere Schwächen? Hohe Kosten im Vergleich zu Asien – und eine oft zu langsame Reaktionsgeschwindigkeit, wenn es darum geht, neue Produkte zu sourcen. In schnelllebigen Märkten ist genau diese Geschwindigkeit ein entscheidender Vorteil.

 

Zusammenarbeit in der Supply Chain – wie kann der Einkauf echte Partnerschaften mit Gießereien und OEMs gestalten?

 

Heldt: Das Netzwerk ist unsere stärkste Währung. Natürlich bleibt der Preis ein Faktor, aber nachhaltiger Wert entsteht durch Effizienz, gemeinsame Ziele und Vertrauen.

Gießereien haben klare Vorteile in Technik und Qualität. OEMs denken zunehmend in Total Cost of Ownership – hier können Gießereien punkten, wenn sie technische Weiterentwicklungen und Qualität in den TCO einpreisen und so Mehrwert belegen. Partnerschaft auf Augenhöhe entsteht, wenn Werte und Ziele übereinstimmen und Vertrauen gewachsen ist.

 

„Total Cost of Ownership“ – in aller Munde, selten gelebt. Was braucht es, um den Preisfokus zu durchbrechen?

 

Heldt: Am Ende entscheidet immer der Kunde – im Automobil zum Beispiel derjenige, der das beste Auto kaufen will. Neben dem Preis werden Faktoren wie Nachhaltigkeit, abgesicherte Lieferketten, Flexibilität und Geschwindigkeit wichtiger. Wir in Europa sind oft zu langsam und zu teuer – hier muss die Kundenorientierung an erster Stelle stehen.

Bosch etwa bewertet Lieferanten heute zuerst nach Nachhaltigkeit, dann nach TCO und weiteren Kriterien. Das verändert die Spielregeln – und gibt uns in Europa eine Chance, wenn wir es konsequent umsetzen.

 

Welche Kompetenzen muss der Einkäufer von morgen mitbringen – gerade in einem technologiegetriebenen Umfeld?

 

Heldt: Der beste Einkäufer ist nicht der beste Verhandler, sondern der, der Prozesse und Technik seiner Lieferanten versteht. Er ist eine People Person, baut empathisch und offen Beziehungen auf – nicht nur zu Lieferanten, sondern zu allen Stakeholdern im Unternehmen und auch zu Kunden.

In der Supply Chain entscheidet Technik oft über Augenhöhe. Einkäufer müssen in der Lage sein, überall fachlich mitzudiskutieren – sonst bleiben sie reine Preisdrücker, und diese Rolle wird in Zukunft immer weniger gefragt.

 

Fazit: Strategischer Einkauf in Europa muss schneller, vernetzter und technischer werden – und dabei die klassischen Werte wie Qualität und Partnerschaft nicht verlieren.

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