„Unser Rohstoff sind unsere Köpfe“
15.02.2024 Branche & Märkte News

„Unser Rohstoff sind unsere Köpfe“

Über die Zukunftsperspektiven der Druckgussindustrie wurde auf der letzten EUROGUSS unter der Überschrift „Gießen wir die Zukunft in Deutschland?!“ diskutiert. Zu verstehen war das – je nach Lesart – als aufmunternder Appell oder als Frage, die auch mit „Nein, doch lieber woanders“ beantwortet werden konnte. Die Diskutanten, darunter profilierte Branchenvertreter wie Gerd Röders, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Metalle und Geschäftsführer der G. A. Röders GmbH & Co. KG, und Dr.-Ing. Alexander F. Marks, CCO der Frech GmbH + Co. KG, waren in ihrer Sicht auf die Dinge allerdings recht klar.

Paneldiskussion Von links: Petra Bindl, Dr. Alexander Marks, Tobias Gotthardt, Sarna Röser und Gerd Röders.
Erweitert wurde ihre Perspektive durch die Außensicht der weiteren Teilnehmer: die der (branchenfremden) Unternehmerin und Buchautorin Sarna Röser, bis vor Kurzem Bundesvorsitzende des Wirtschaftsverbands „Die jungen Unternehmer“, und die von Tobias Gotthardt, Staatssekretär im Bayerischen Wirtschaftsministerium.

Schwieriges Fahrwasser

In der Zustandsanalyse war man sich einig: Trotz großer Innovationsfreude befindet sich die Industrie hierzulande in schwierigem Fahrwasser, das durch zu hohe Energiekosten, zu viel Bürokratie, schleppende Digitalisierung und Fachkräftemangel gekennzeichnet ist. Eine Umfrage unter Familienunternehmen ergab, dass sich für 85 Prozent von ihnen der bürokratische Aufwand in den letzten Jahren deutlich erhöht hat, 40 Prozent beklagen Überregulierung und langsame Behörden. Doch was ist hier zu tun?
Tobias Gotthardt Tobias Gotthardt, Staatssekretär im Bayerischen Wirtschaftsministerium.
Für den Freistaat konnte Tobias Gotthardt auf das Vorhandensein eines Entbürokratisierungsbeauftragen und die Einführung des Normenkontrollrats verweisen. „Wir haben in Bayern erkannt, dass sich die Bürokratie wie ein Krebsgeschwür in eine dynamische Wirtschaft hineinfrisst und alles ausbremsen kann“, sagte der Staatssekretär. Aufgabe der Politik sei es, dem Mittelstand genau zuzuhören, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten und eine „Kultur des Möglichmachens vom Ministerium bis zum Landratsamt“ zu etablieren.
Sarna Röser Sarna Röser, Unternehmerin und Autorin.
Einen ganz pragmatischen Weg, wie das mit dem Zuhören klappen kann, schlug Sarna Röser vor: „Wir können Abgeordnete in unsere Firmen einladen und ihnen zeigen, was schiefläuft, sonst verstehen sie es nicht. Wir müssen es erklären, damit sie das in ihren Alltag mitnehmen.“

Appell an die Politik

Auch beim Thema Energiekosten blickt die Wirtschaft und gerade die Gießereiindustrie in Richtung Politik. „Wir sind als Branche tief enttäuscht darüber, wie das Problem angefasst wurde. Es kann nicht sein, dass wir die bewusste Verknappung der Energie ausbaden müssen. Wir stehen schließlich im internationalen Wettbewerb“, mahnte Gerd Röders zum Handeln. „Und wenn der Brückenstrompreis nicht kommt, sollte man beim Thema Bürokratie etwas machen. Lieferkettengesetz, Whistleblower-Richtlinie etc. – es gibt so viel, wo die Politik jetzt aktiv werden muss.“  

Röders beklagte ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber der Wirtschaft: „Die Unternehmen schaffen Arbeitsplätze und reduzieren CO2. Die Politik muss uns Vertrauen schenken, dann machen wir etwas aus diesem Land – alle zusammen.“ 

Doch nicht nur in der Politik gebe es Misstrauen und Vorbehalte gegenüber dem Unternehmertum, kritisierten die Diskussionsteilnehmer und hatten dafür auch Beispiele parat. In der ARD-Reihe „Tatort“ sei der Unternehmer statistisch gesehen am häufigsten der „Böse“, berichtete Röser. In der deutschen Öffentlichkeit herrsche ein negatives Unternehmerbild vor, was dazu beitrage, dass aktuell jeder zweite Student "Beamter“ werden wolle. 

Hidden Champions 

Einig war man sich, dass an diesem Punkt auch die Schule gefordert ist. „Kinder sollen lernen: Ich kann auch ein Unternehmen gründen“, sagte Gotthardt. Zwar wurden die Durchlässigkeit des Bildungssystems, die universitäre Ausbildung und das Duale System als wichtige Pluspunkte gewertet, aber: „Leistung muss in den Schulen wieder eine größere Rolle spielen. Dann werden wir auch das Thema Fachkräftemangel langfristig lösen“, erklärte Dr. Alexander F. Marks. Zusätzlich sei jedoch eine Vergrößerung der kleiner werdenden Arbeitskräftepotenzials durch Zuzug nach Deutschland erforderlich, so der Manager.
Alexander Marks Dr. Alexander F. Marks, CCO der Frech GmbH + Co. KG.
Bei der Reduzierung des Mangels kann der Mittelstand allerdings auch selbst etwas unternehmen. „Wir müssen noch mehr lernen, Geschichten zu erzählen und die Mitarbeiter diese Geschichten weitererzählen lassen. Wir haben so tolle Hidden Champions unter den Familienunternehmen und außerhalb der eigenen Region ist nicht mal deren Name bekannt“, so Röser. Als geeigneter Ansatzpunkt fürs Storytelling könnte die Hochtechnologie im Druckguss dienen: „Wir stellen coole Produkte für Autos und Solaranlagen her“, findet Gerd Röders und erhielt Unterstützung von Dr. Alexander F. Marks: „Der Druckguss ist eine sexy Branche.“

„Einmaliges Netzwerk in Deutschland“ 

Bleibt also die mittelständische Wirtschaft dem Standort Deutschland trotz aktuell schwieriger Rahmenbedingungen erhalten? So scheint es. Allerdings wurden als wesentliche Bedingungen dafür mehr Pragmatismus, schnelle Digitalisierung gerade der öffentlichen Verwaltung, mehr Unternehmergeist und Verantwortungsbewusstsein in der Gesellschaft genannt. Sarna Röser: „Unser Rohstoff sind unsere Köpfe. Wir können den Wandel schaffen, denn wir sind innovativ.“
Gerd Röders Gerd Röders, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Metalle und Geschäftsführer der G. A. Röders GmbH & Co. KG.
Und für die Gießereibetreibe im Besonderen? Hier nannten die Branchenvertreter das konsequente Identifizieren und Erschließen aller Chancen, die sich der Druckgusstechnologie bieten, etwa bei der E-Mobilität, als wichtig Punkte. Gerd Röders: „Wir haben ein einmaliges Netzwerk in Deutschland. Die Lieferketten funktionieren, deshalb ist es wichtig, dass die Gießereien hierbleiben. Wir bleiben auf jeden Fall in Deutschland mit unserer Firma“, resümierte Röders.
In der Schlussrunde nahm Moderatorin Petra Bindl den Titel der Diskussion wieder auf und bat die Teilnehmer, den Satz „Wir gießen die Zukunft in Deutschland, wenn …“ zu vervollständigen:
Wir gießen die Zukunft in Deutschland, wenn wir weiterhin Ideen haben.
Gerd Röders, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Metalle und Geschäftsführer der G. A. Röders GmbH & Co. KG
Wir gießen die Zukunft in Deutschland, wenn wir nach dem Motto leben: Machen ist wie Wollen, nur krasser.
Sarna Röser, Unternehmerin und Buchautorin
Wir gießen die Zukunft in Deutschland, wenn wir gemeinsam eine Umwelt entwickeln, die entbürokratisiert Luft zum Atmen gibt und das Feuer unternehmerischer Leidenschaft weiter entfacht.
Tobias Gotthardt, Staatssekretär im Bayerischen Wirtschaftsministerium
Wir gießen die Zukunft in Deutschland, wenn es gelingt, die Anwender, die Technologieanbieter und die Product Owner an einen Tisch zu bekommen, um die Zukunft zu gestalten.
Dr.-Ing. Alexander F. Marks, CCO der Frech GmbH + Co. KG
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