HPDC Coffee Talk: „Wo geht die Reise hin?“ über aktuelle Themen mit den Entscheidern der Branche
28.05.2024 Branche & Märkte Lightweight Trend Interview

HPDC Coffee Talk: „Wo geht die Reise hin?“ über aktuelle Themen mit den Entscheidern der Branche

Die weltweite Entwicklung der Aluminium-Druckgussindustrie ist aktuell in einem turbulenten Umfeld und befindet sich an einem historischen Meilenstein. Zu keinem Zeitpunkt der letzten 50 Jahre sind jemals so viele Herausforderungen und bedeutende Ereignisse gleichzeitig aufgetreten, wie das aktuell der Fall ist.

In einer Serie von drei Coffee-Talks diskutiert Johannes Messer Consulting mit vier Entscheidern der HPDC-Branche, wirtschaftliche, technologische und internationale Themen im Kontext der aktuellen Herausforderungen.

Männer im Anzug trinken Kaffee auf dem Executive Circle 2024

Das Thema des ersten Talks: 

"Wo geht die Reise wirtschaftlich hin für die europäische Aluminium Druckguss Branche?"

Bild von Johannes Messer Johannes Messer, Johannes Messer Consulting
Messer: Mit Ausnahme der Krisen 94-95 und 08-09 ist die Al-Gießereiindustrie weltweit in den letzten 30 Jahren kontinuierlich gewachsen (1990 ca. 3 Mio.t Al-Guss→ 2020 ca. 18 Mio. t Al-Guss). Getragen wurde diese Erfolgsgeschichte wesentlich durch die Substitution vieler Teile des Antriebsstrangs durch Druckgussteile. Was waren die Treiber dieses Erfolgs?
Bild von Armin Wiedenegger Dr. Armin Wiedenegger, Managing Director voestalpine Additive Manufacturing Center Gmbh
Wiedenegger: An erster Stelle sind sicher die Ziele beziehungsweise die Anforderungen der Automobilindustrie, zu nennen. Der automobile Leichtbau hat kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Der Anteil Aluminium pro Fahrzeug ist permanent gestiegen. Am meisten hat davon der Aluminiumdruckguss profitiert.

 

Bild von Siegfried Heinrich Siegfried Heinrich, CEO SF Tooling group GmbH
Heinrich: Neben den Anforderungen des Marktes im Wesentlichen der Automobilindustrie, waren es die technologischen Entwicklungssprünge, die die Substitution von Stahl und Eisenguss durch Aluminium Druckguss möglich gemacht haben. 
Bild von Eric Müller Eric Müller, CTO HPDC Casting Divisions Gnutti Carlo Group
Müller: Ein Teil dieser Erfolgsgeschichte ist die stetige Weiterentwicklung der eingesetzten Aluminiumwerkstoffe sowie die konstruktive Auslegung der Druckgussformen zur Herstellung hochkomplexer Aluminiumguss Bauteile. Die Entwicklung bei den PKW-Anwendungen, spiegelt sich auch in der Entwicklung der medium duty und heavy duty Fahrzeuge wider, die ebenfalls einen sehr hohen Aluminiumgussanteil z.B. im Bereich des Antriebsstranges aufweisen. Ich freue mich auf die Zukunft an diesen positiven Trend weiter teilhaben zu dürfen.
Bild von Cornel Mendler Cornel Mendler, Managing Director Die Casting Bühler AG
Mendler: Wie Herr Heinrich schon gesagt hat, waren natürlich auch technologische Weiterentwicklungen notwendig. Als Beispiel möchte ich hier die Entwicklung der Schließkräfte nennen. Über viel Jahre war die 4‘000 t Maschine bei den meisten Hersteller die größte Druckgießmaschine im Portfolio, in den letzten 5 Jahren sind die Schließkräfte der Maschinen förmlich explodiert.

Messer: Sie haben den automobilen Leichtbau als wesentlichen Erfolgsgarant angeführt. Inwieweit, war die Gießereiindustrie bei der Transformation bzw. der Entwicklung der Produkte beteiligt?

 

Heinrich: Wenn neue Produktgruppen (Getriebegehäuse, Motorblöcke,….) zum ersten Mal im Aluminium-Druckguss hergestellt wurden war die Beteiligung der Gießereiindustrie groß und unter anderem auch deswegen erfolgreich. Europa war bei vielen dieser Entwicklungen führend. Die breite Prozess- und Technologiekompetenz in Europa entlang der Wertschöpfungskette war der wesentliche Grund.

 

Müller: Die Gießereiindustrie in Summe war und ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor dieser automobilen Transformation. Vor allem die Überführungen von Komponenten aus Gusseisen in NE-Metalle hat einen wesentlichen Teil dazu beigetragen. Nach der Veränderung der Fahrzeugbauweise z.B. in Bereichen wie dem Antriebsstrang und dem folgenden Designänderungen konnten Aluminium basierende Gusslegierung in Kombination mit dem Know-how der Gießereiindustrie ihre Vorteile mehr und mehr ausspielen und zum nachhaltigen Leichtbau beitragen.

 

Wiedenegger: Der Aluminium Druckguss ist sowohl ein technisch anspruchsvolles Verfahren aber auch sehr wirtschaftlich. Es muss eine umfassende Prozess- und Technologiekompetenz vorhanden sein um Bauteile den Anforderungen entsprechend im Druckguss herzustellen.

 

Messer: Die Entwicklung von Aluminiumdruckguss ist eine echte Erfolgsgeschichte. Warum ist es vielen Unternehmen in der Wertschöpfungskette Aluminium Guss nicht gelungen die positive Entwicklung langfristig, vollständig in Erfolg umzuwandeln?

 

Mendler: Global betrachtet ist der Aluminiumdruckguss eine Erfolgsgeschichte. Leider wurden einige Unternehmungen von der Internationalisierung überrascht, welche in den letzten 20 Jahren deutlich an Geschwindigkeit zugenommen hat. Neue Marktteilnehmer sind entstanden, dadurch ist der Wettbewerbsdruck gestiegen. Die neuen Marktteilnehmer haben technologisch aber auch bezogen auf die Produktivität sehr schnell aufgeholt.

Bei wesentlichen Kostenpositionen wie z.B. Energie, Lohn, Steuern haben die Europäer darüber hinaus häufig Nachteile. Die Preisqualität hat dadurch gerade in Europa deutlich gelitten.

 

Messer: Da gebe ich Ihnen Recht, Herr Mendler. Meiner Meinung nach muss die Branche aber auch eigene Versäumnisse eingestehen. Ich habe häufig das Gefühl, das viele Unternehmen z.B. lieber über KVP reden als machen.

Mendler: Da haben Sie sicher nicht unrecht, verallgemeinern sollte und kann man die Aussage jedoch nicht.  Auch denke ich, gab und gibt es deutliche Unterschiede bezüglich der Agilität und Dynamik von den einzelnen Firmen, wie auf die Veränderungen vom Markt reagiert wurde.

Auch sind viele Gießer wegen der Abhängigkeit von der Automobilindustrie massive unter Druck. Hier sehe ich auch uns als Lösungsanbieter in der Pflicht innovative Lösungen zusammen mit unseren Kunden zu entwickeln.

 

Müller: Das sehe ich auch so.  Ja wir haben Produktivitätspotentiale in der Gießereibranche. Wenn wir uns OEE-Werte ansehen, mit denen wir zum Teil „zufrieden“ sind, müssen wir dort sicher auch ansetzen. Wenn wir es schaffen alle am Prozess Beteiligten, einschließlich der Kunden, für die Veränderung zu gewinnen, sehe ich große Potentiale und als Folge verbesserte

Ergebnisse für alle Beteiligten. Diese positiven Ergebnisse, welche sich im Unternehmensergebnis widerspiegeln müssen, erhöhen die Chance, dass die Gießer auch in Zukunft ein maßgeblicher Treiber des automobilen Leichtbaus bleiben.

 

Wiedenegger: Total Cost of Ownership muss die Zielgröße sein. Wenn sich alle Beteiligten, einschließlich der Kunden darauf committen, ist der Erfolg wahrscheinlich. Beispiele dafür gibt es genug. Leider ist dieser gemeinsame Ansatz aber alles andere als Standard im Tagesgeschäft.

 

Messer: Die Diskussion über Unternehmensergebnisse ist traditionell schwierig. Aber leider notwendig. Aktuell sehen wir wieder mehr Unternehmen mit finanziellen Schwierigkeiten. Die „Krise“ ist einfach zu lang. Wie sehen Sie das?

 

Wiedenegger: Ja, natürlich sind die multiplen Krisen zu lang. Seit Ende 2018 haben wir rückläufige Volumen beziehungsweise Volumen auf niedrigem Niveau und diese stark schwankend. Parallel haben sich wichtige Kostenpositionen negativ entwickelt. Dadurch ist die finanzielle Belastung immer größer geworden. In vielen Unternehmen fehlt jetzt Cash um alle notwendigen Veränderungen im Kontext der Transformation (ICE → BEV) einzuleiten.

 

Heinrich: Das sehen wir z.B. auch beim Thema GIGA-Casting. Gerade bei europäischen Gießereien sehen wir eine gewisse Zurückhaltung in GIGA-Casting zu investieren. Im Fall Volvo  investiert, wie bei Tesla, der OEM.

 

Müller: Ich würde das Thema Krise gerne auch in maximale Planungsunsicherheit übersetzen, die Transformation schreitet definitiv in einer langsameren Geschwindigkeit voran als zunächst vermutet. Keiner weiß, wie schnell sich diese Entwicklung nun weiterentwickelt, daher ist es nicht leicht in einem solch investitionsintensiven Geschäftsfeld wie dem Gießereiumfeld die richtige Entscheidung zu treffen. Dennoch müssen Sie diese Entscheidung treffen, welche sich am Ende aber auch massiv auf das Unternehmensergebnis auswirkt.

Messer: Da sind wir bei der entscheidenden Frage. „Wo geht wirtschaftlich die Reise für die Aluminium-Druckgussindustrie hin?“

Mendler: Die Prognosen der Experten sind auch für Europa positiv. Auch wenn die PKW-Produktionszahlen das Vorkrisen Niveau in Europa nicht wieder erreichen werden, soll laut Expertenmeinung die Aluminium-Druckgussproduktion in Europa über Vorkrisen Niveau steigen. Der Grund ist der schon angesprochene und anhaltende Trend zum automobilen Leichtbau. Das Wachstum im Bereich Strukturbauteilen wird die Reduktion von ICE zu BEV überkompensieren können.

Wiedenegger: Das sehe ich auch so. Die Frage ist, wie schnell werden wir dieses Niveau erreichen.

Müller: Die Verkaufszahlen der OEMs werden wir sicher nicht beeinflussen. Die Kennzahl Aluminium Druckguss pro Fahrzeug können wir sehr wohl beeinflussen. Sie haben es bereits gesagt Herr Dr. Wiedenegger. Wenn die gesamte Wertschöpfungskette einschließlich der Kunden in Europa zusammenarbeitet, ist dies der Erfolgsgarant.

Heinrich: Ich stimme Ihnen zu, lassen Sie uns an den Themen arbeiten, die wir beeinflussen können. Dass es in Europa dazu die notwendige Kompetenz gibt, hat unsere Industrie oft genug bewiesen.

Bild von Johannes Messer
Geschätzte Herren, Danke für den ersten Coffee Talk und die positiven Signale für unsere Industrie. Ich freue mich auf unseren nächsten Austausch und gemeinsam mit Christopher Boss (NürnbergMesse) auf unser persönliches Treffen beim nächsten EUROGUSS Executive Circle am 02-03 Juli in Frankfurt.
Johannes Messer, Johannes Messer Consulting
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Autor

Johannes Messer

Johannes Messer

Selbstständiger Berater mit den Schwerpunkten Strategieentwicklung, Managementberatung, Interimsmanagement, Netzwerkarbeit (Umfeld der Aluminiumgießereien) und Unternehmensanalyse

Johannes Messer Consulting GmbH