Druckguss bietet Alternativen für Kupferspulen
25.08.2022 Technologien & Prozesse Interview

Druckguss bietet Alternativen für Kupferspulen

Eine Dreier-Allianz zeigt dem Standort Deutschland eine Perspektive zu gewickelten Kupferspulen durch gegossene Aluminiumspulen auf. Das soll vor allem der Elektromobilität zu Gute kommen. Auf der EUROGUSS präsentieren sie den unter Serienbedingungen produzierten Demonstratormotor zum ersten Mal.

Europäische Flagge Die Dreier-Allianz aus dem Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung IFAM, der Druckgiesserei Ketterer und dem Motorenhersteller Heinzmann hat erstmalig gegossene Aluminiumspulen für Elektromotoren entwickelt. Auf der EUROGUSS präsentieren sie den unter Serienbedingungen produzierten Demonstratormotor zum ersten Mal. / Quelle: Corinna Robertz
Das Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung IFAM hat ein Verfahren entwickelt, mit dem Aluminiumspulen im Druckguss produziert werden können. Im Vergleich zu ihrem gewickelten Kupferpendant soll so die Dauerleistung der elektrischen Maschinen gesteigert und Gewicht - auf die Spule bezogen mindestens vierzig Prozent - eingespart werden. Die gegossenen Spulen zeichnen sich durch eine flache Leiteranordnung aus, die zu einer besseren Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Bauraums führt. Obwohl die gegossenen Aluminiumspulen gegenüber den gewickelten Kupferspulen einen auf das Material bezogenen höheren elektrischen Widerstand haben, ergibt sich durch den größeren Querschnitt bezogen auf die gesamte Spule ein geringer Widerstand. Mit besserer Anbindung an das Blechpaket und günstigere Ausnutzung des Bauraums resultiert ein besseres thermisches und elektromagnetisches Verhalten, so das Fraunhofer IFAM. Der größere Querschnitt der gegossenen Spule gegenüber der gewickelten Spule kompensiere den schlechteren Leitwert von Aluminium gegenüber Kupfer vollständig. 

Umgesetzt und erstmals in Serie produziert wurde das Konzept jetzt von der Druckgiesserei Ketterer und Motorenhersteller Heinzmann. “Aus einem Forschungsprojekt wurde eine Anwendung in der Industrie”, sagt Franz-Josef Wöstmann, Leiter der Abteilung “Technologiefrüherkennung und Verwertung” am Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM. “Damit ist die Übertragbarkeit in die Serie dargestellt!” 

Durch die einfache Bestückung der Motoren mit Druckgussspulen könne es möglich sein, Wickeltechnologien teilweise zu ersetzen. Der gegebene Kostenvorteil und die technischen Vorteile bleiben aber das Hauptargument für Marktakzeptanz, so Peter Mérimèche, Geschäftsführer von Heinzmann. Sein Unternehmen habe eine neue Generation von Radnabenmotoren entwickelt, bei der die Aluminiumspulen Verwendung finden sollen. Der Radnabenmotor PRA230 könne für mobile Anwendungen wie Agrarapplikationen oder Leichtfahrzeuge der L7 Kategorie sowie für AGV´s eingesetzt werden. 

Auf der EUROGUSS stellen Franz-Josef Wöstmann vom Fraunhofer IFAM und Holger Knobloch, Leiter Technik/Vertrieb und Prokurist von Ketterer Druckguss, den Demonstratormotor erstmalig der Öffentlichkeit vor. 

Holger Knobloch: Es handelt sich hier um eine Weltneuheit. Es gibt weltweit keine Applikation im Bereich Elektromotor mit im Druckgussverfahren gegossenen Spulen aus Aluminium, die unseren Produktionsfortschritt haben. Das erschließt natürlich auch dem Aluminiumdruckgussstandort Deutschland ein enormes Potenzial für die Zukunft. Unser Bestreben ist es trotz den momentanen Krisen, trotz der Diskussion um die Energieintensität der Branche, zu zeigen, dass man mit Aluminiumdruckguss hochinnovative Bereiche erschließen kann. Das birgt auch für den Fertigungsstandort Deutschland eine echte Perspektive. 

Franz-Josef Wöstmann: In der Vergangenheit wurde die Konstruktionen von Motoren immer in Drähten gedacht. Und die Drähte dann immer in Kupfer zum einen, weil die Leitfähigkeit von Kupfer sehr gut ist und zum anderen, weil die Verformbarkeit für das Wickeln von Kupfer sehr gut ist. Ansätze mit Aluminium sind in der Regel daran gescheitert, dass sich Aluminium schlechter verformen lässt. Dazu kommt, dass ein gewickelter Aluminiumdraht eine schlechtere Leitfähigkeit hat. Aber durch unser Druckgussverfahren haben wir die Möglichkeit, die Wicklung von der Geometrie komplett an den Bauraum anzupassen. Damit wird der Querschnitt größer. Eine gegossen Aluminiumspule hat damit auf die Spule bezogen einen geringeren elektrischen Widerstand. Damit ist  der Einsatz von Aluminium nur durch die Gießtechnik wirtschaftlich und technisch sinnvoll. Nur hier können wir einen veränderlichen Querschnitt mit unterschiedlichen Geometrien realisieren. Der Motor hat dann eine höhere Effizienz als mit Kupfer, ist leichter, kostengünstiger und umweltfreundlicher.  

Knobloch: Was wir hier gemeinsam mit dem Fraunhofer IFAM und Heinzmann umgesetzt haben, ist nicht ganz trivial. Wenn man zehn Druckgießer fragt ob man diese Spule hier im Aluminiumdruckguss in Kaltkammer gießen kann, dann verneinen neun von zehn und einer ist sich nicht sicher. Wir bewegen uns hier in den Grenzen des Machbaren beim Aluminiumdruckgusses. Das beginnt bei der Wandstärke: Im Lehrbuch steht, dass der Aluminiumdruckguss ab 1 - 1,5 Millimeter aufwärts beginnt. Damit sind unsere Gießlängen theoretisch gar nicht machbar. Und die 3D-Geometrie, die wir damit abbilden, schon gar nicht.  

Was spricht dafür, Kupfer mit Aluminium zu substituieren? 

Knobloch: Bei der Gewinnung von Aluminium gibt es gegenüber Kupfer einen deutlichen Vorteil beim Energieeinsatz. Aluminium hat einen niedrigeren Schmelzpunkt als Kupfer und dadurch eine bessere CO₂-Bilanz. Wir haben auch einen Gewichtsvorteil von Aluminium gegenüber Kupfer. Dazu kommt, auch wenn ich nicht die tagesaktuellen Preisen kenne: Kupfer kostet ungefähr das dreifache von Aluminium, bezogen auf das Gewicht. Und am Ende des Tages ist das Recyceln von Kupferspulen mit der verwendeten Isolierung sehr problematisch. Die Isolation muss erst entfernt werden; inklusive aller Giftstoffe, die dabei entstehen. Wenn der Motor aber mit Aluminiumspulen nach Jahrzehnten im Einsatz entsprechend recycelt werden muss, kann auch die Spule demontiert und dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden. 

Wöstmann:
Aluminium ist eines der häufigsten Elemente auf unserem Planeten. Das ist ein großer Unterschied zu Kupfer. Denn Kupfer wird vor allem in Chile und China abgebaut und von dort geliefert. Wir haben eine massive Abhängigkeit speziell von diesen beiden Ländern. Gleichzeitig gehen die Ressourcen im Bereich Kupfer Schritt für Schritt zur Neige. Damit haben wir auf der einen Seite eine Verknappung durch die reine Verfügbarkeit, auf der anderen Seite haben wir durch Anstieg des Wohlstands, durch den Einsatz elektrischer Maschinen und durch die Forderung nach mehr elektrischen Antrieben einen viel höheren Bedarf an Kupfer, sollte Kupfer weiterhin als wesentliche Komponente in elektrischen Antrieben eingesetzt werden. Damit wird Kupfer in kürzester Zeit zum strategischen Werkstoff werden.   

Sie sind über einen Pressebericht des IFAM, über die Möglichkeiten des Einsatzes von in Aluminium gegossenen Spulen für Elektromotoren, zusammengekommen. Warum so und nicht anders? 

Knobloch: Was gibt es denn seitens der Politik, um Innovation zu fördern? Es gab die sogenannten Forschungsprojekte vom Bundesministeriums Forschung und Technik. Dabei liegt das Geheimnis doch viel eher darin, das Wissen zusammenzubringen. Und dafür  braucht es immer eine treibende Kraft und auch eine Präsenzkommunikation. Man muss seinen Partnern vertrauen können. Eine Dreierpartnerschaft ist noch etwas komplizierter zu händeln als eine Ehe. Alle drei Seiten müssen das Gefühl haben, Teil einer Win-Win-Win Situation zu sein. Der vorgestellte E Motor ist das Ergebnis einer partnerschaftlichen Gemeinschaftsleistung. 

Wöstmann:
Hier sind Menschen zusammengekommen, die sich verstehen und gleichzeitig sind es Menschen, die etwas an den Tag legen, was in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren fürchterlich verloren gegangen ist: Ein kleines bisschen Wagemut und Unternehmergeist. Kein Zurücklehnen und fordern, dass neue Themen kostenfrei auf dem Silbertablett servieren. Das ist leider mittlerweile die deutsche Mentalität. 
Smartphone empfängt E-Mail-Nachrichten, es sind virtuelle Mail-Icons zu sehen.

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Autor

Corinna Robertz