Julia Dölling: „Wie fasst man ein halbes Jahr Arbeit in wenigen Minuten zusammen?“

Wir springen kurz zurück ins Jahr 2022: Wo bist du und was ist das Thema deiner Masterarbeit?

Julia Dölling: 2022 habe ich meine Masterarbeit über die Fließfähigkeit von Aluminium-Silizium-Druckgusslegierungen beim Talent Award vorgestellt, die ich während meines Luft- und Raumfahrttechnikstudiums an der Universität Stuttgart bei der AUDI AG in Neckarsulm bearbeitete. Zu der Zeit war ich wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für leistungsfähige Werkstoffe der DHBW Stuttgart und Doktorandin am Institut für Metallformung der TU Bergakademie Freiberg. 

Wie bist du auf den Talent Award aufmerksam geworden?

Dölling: Der Talent Award hat leider noch nicht so viel Sichtbarkeit, wie er verdient hätte. Kontakt zur EUROGUSS hatte ich vor der Masterarbeit auch noch nicht wirklich. Mein damaliger Betreuer, der 2020 selbst Teilnehmer beim Talent Award war, hat mich darauf gebracht. 

Gibt es Momente aus der Zeit, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?

Dölling: Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die Vorbereitungsphasen und der erste Online-Pitch. Ich meine, wie fasst man ein halbes Jahr Arbeit in wenigen Minuten zusammen? Das war eine echte Herausforderung, hat mir aber auch viel für zukünftige berufliche und private Gespräche gebracht. Außerdem waren wir über 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, jeweils drei Minuten – das war ein spannender Einblick in aktuelle Forschungsthemen. 

Wie hast du dich vorbereitet?

Dölling: Das Finale des Talent Awards auf der EUROGUSS war meine erste englischsprachige Präsentation vor internationalem Publikum. Vor der großen Bühne hatte ich absolut Respekt und die Geräuschkulisse der Messe habe ich total unterschätzt.

Für die Vorbereitung habe ich oft und viel den ersten und letzten Satz meiner Präsentation geübt, um sicher in den Redefluss zu kommen und abschließen zu können. Ein kreativer ausgefallener Einstieg in die Präsentation hat mir dann geholfen, die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen – den Trick habe ich bis heute beibehalten. 

Und damit sind wir wieder in der Gegenwart. Wo bist du heute?

Dölling: Heute arbeite ich als Wissenschaftlerin am Institut für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. in der Abteilung Werkstoffe und Verfahren Gesamtfahrzeug. Ich schätze den hohen Anwendungsbezug und kann bei zukunftsweisenden Forschungsfragen auch viele Synergieeffekte aus der Druckgussbranche nutzen.

Was begeistert dich an der Gießereibranche?

Dölling: Werkstoffe und deren Fertigungsverfahren sind die Grundlage zur Herstellung verschiedenster Produkte. Die Serienfertigung von metallischen Bauteilen hat großen Einfluss auf technologische Machbarkeit, Performance, Fertigungskosten und Nachhaltigkeit. Die Gießereiindustrie ist unglaublich interdisziplinär. Von Simulation, Konstruktion, Werkstofftechnik, Fertigungstechnik bis hin zu Digitalisierung, KI und Automatisierung ist alles dabei.

Obwohl die Branche oft mit ölverschmierten und qualmenden Bildern in Verbindung gebracht wird, steckt wirklich sehr viel Ingenieurskunst darin, die man auf den ersten Blick selten direkt sieht. 

Hast du Ratschläge für junge Talente oder für Unternehmen, die Nachwuchs suchen?

Dölling: Man sollten sich nicht abschrecken lassen und einfach mal ausprobieren. Die Gießereiindustrie bietet so viele Möglichkeiten sich zu entwickeln. Andererseits können Unternehmen den direkten Kontakt suchen und die Vielseitigkeit der Branche erlebbar machen.

Es ist wichtig, junge Menschen frühzeitig für technische Berufe zu begeistern und ihnen zu zeigen, wie viel Gestaltungsspielraum und Einfluss sie in solchen Bereichen haben – gerade auch bei aktuellen Trendthemen wie zum Beispiel der Nachhaltigkeit. Es gibt so viel Potenzial für technischen Nachwuchs – einmal reingeschnuppert ist man sicher fasziniert.