Ein Beispiel dafür liefert das niedersächsische Unternehmen G.A. Röders. Die Gießerei hat einen wasserstoffbetriebenen Tiegelschmelzofen entwickelt – ein Schritt hin zur klimaneutralen Produktion. Der Betrieb des Ofens scheitert bislang jedoch daran, dass kein Anschluss an das Wasserstoffnetz besteht. „Das geplante Wasserstoffnetz endet über 40 Kilometer entfern von unserem Standort“, sagt Andreas Röders, Geschäftsführer Spritzguss von G.A. Röders GmbH & Co. KG in Soltau.
- 08.05.2025
- Fachbericht
- Nachhaltigkeit & CO2-Neutralität
Energiewende? Nur mit Anschluss.
Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft gilt als zentrales Element der deutschen Klimapolitik. Mit dem geplanten Wasserstoff-Kernnetz, der nationalen Wasserstoffstrategie und zahlreichen Förderprogrammen verfolgt die Bundesregierung das Ziel, den Energieträger Wasserstoff insbesondere in der Industrie breit nutzbar zu machen. In der Praxis zeigt sich, dass technologische Fortschritte vieler Unternehmen auf infrastrukturelle Engpässe treffen.


Ohne eine wirtschaftlich darstellbare Möglichkeit zur Versorgung bleibt die Anlage vorerst ungenutzt. „Wir brauchen mehr sinnvolle Investitionen in das Wasserstoffnetz – vor allem in der Fläche“, fordert Röders. Seine Aussagen sind Teil eines Videobeitrags in der Kampagne „Ich kann so nicht arbeiten“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Die Kampagne macht auf strukturelle und regulatorische Hemmnisse aufmerksam, die Unternehmen daran hindern, klimafreundliche Technologien in die Praxis zu überführen.
Den Mittelstand vergessen?
Der Fall verweist auf eine grundlegende Herausforderung des Wasserstoffhochlaufs: Während Infrastrukturprojekte auf nationaler Ebene anlaufen, konzentriert sich der Ausbau des Netzes zunächst auf industrielle Ballungsräume, Importhäfen und Speicherstandorte. Mittelständische Unternehmen in ländlichen Regionen sind vielfach noch nicht an das geplante Netz angebunden.
Technisch ist eine Überbrückung der Distanz zwar möglich – etwa durch Wasserstofflieferungen per LKW oder durch Elektrolyse vor Ort. Beides ist jedoch mit erheblichen Kosten und logistischen Hürden verbunden und gilt derzeit kaum als dauerhafte Lösung für industrielle Anwendungen mit hohem Energiebedarf.

Wasserstoff ist noch (?) nicht der heilige Gral
Gleichzeitig zeigt sich in Projekten wie dem InnoGuss vom Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG), unterstützt durch die BDG-Service GmbH und das VDEh-Betriebsforschungsinstitut (BFI): Wasserstoff ist nicht der einzige Hebel für mehr Klimaschutz in der Druckgussbranche. Im Forschungsprojekt stand neben Wasserstoff Biomasse, Elektrifizierung und Abscheidung oder Nutzung von CO2 (CCX) im Vordergrund.
Und das ist gut so, denn die Untersuchung bestätigt: Der größte limitierende Faktor sei die Verfügbarkeit und damit die Anbindung an eine Wasserstoff Pipeline. Das Fazit: Wasserstoff werde für die Transformation der Gießerei-Branche nicht die gleiche Rolle spielen, die er in der Transformation von Stahl- und Chemieindustrie habe. „Jedoch sollte weiterhin technologieoffen vorgegangen und an Wasserstoffanwendungen in der Gießerei-Industrie geforscht werden“, heißt es in einem Projektupdate. Der Forschungsbedarf sei hoch und insbesondere Gießerei-Institute seien jetzt gefragt.

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Gießereien tun, was sie können
Zahlreiche Unternehmen setzen bereits auf alternative Maßnahmen, um ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Dazu zählen etwa Investitionen in energieeffizientere Schmelz- und Gießtechnologien, der verstärkte Einsatz von Recyclingmaterial – insbesondere Sekundäraluminium – sowie der Bezug von zertifiziertem Ökostrom oder selbst erzeugter Solarenergie. Auch Digitalisierung und prozessintegrierte Qualitätskontrolle helfen, Energieverluste zu minimieren und Ausschuss zu verringern.
Darüber hinaus bieten neue Leichtbaukonzepte, Gigacasting und funktionsintegrierte Komponenten Potenziale, um Material und Energie einzusparen – nicht nur in der Produktion, sondern auch entlang der nachgelagerten Wertschöpfungskette. In vielen Fällen eröffnet sich somit ein klimaschonender Transformationspfad, der unabhängig vom Wasserstoffanschluss verfolgt werden kann, sofern geeignete Rahmenbedingungen bestehen.