Immer mehr Gießereien melden Insolvenz an. Räumen große Anbieter jetzt den Markt auf?
Eric Müller: Absolut, ja. Neben den Energie- und Materialkosten hat die Druckgussindustrie die Challenge, eine sehr investitionsintensive Branche zu sein.
Ob neue Aufträge im Zuge der Antriebstransformation oder „altbekannte“ Bauteile – beides erfordert hohe Vorleistungen. Bei einer EBITDA-Marge von durchschnittlich fünf bis sieben Prozent fällt es Gießereien in Deutschland schwer, solche Summen zu stemmen und langfristig wirtschaftlich zu arbeiten.
Ebenso schwierig ist es, Volatilität und Flexibilität mit maximaler Wirtschaftlichkeit zu vereinbaren. Viele dieser Probleme sind nicht technischer, sondern struktureller Natur – und sie treiben die Konsolidierung weiter voran, die sich bereits seit 2021 abzeichnet.
Zusätzlich belastet eine deutliche Überkapazität die Branche. All diese Kapazitäten lassen sich dauerhaft nicht auslasten und einige werden deshalb vom Markt verschwinden – sei es durch Werksschließungen, Insolvenzen oder gezielten Rückbau. Neben finanzieller Stabilität ist es angebracht, die Kapazität schrittweise mit einer maximalen Flexibilität auszubauen, um den Cash Impact so gering wie möglich zu halten und den potenziellen Hochlauf genau zu beobachten.
Die Einstiegshürden für scheinbar rettende Trends wie Gigacasting sind hoch.
Wie realistisch ist die Einführung für mittelständische Gießereien?
Müller: Meiner Meinung nach sind kleine und mittelständische Gießereien aus genannten Gründen nicht in der Lage, diesem Trend zu folgen. Selbst wenn man die finanziellen Hürden kurz außer Acht lässt, stehen viele Betriebe vor massiven infrastrukturellen Problemen: Hallenhöhen, Flächen oder Kräne reichen in der Regel nicht aus – und lassen sich oft auch nicht ohne Weiteres nachrüsten.
Sie müssen also zwangsläufig an eine Umsiedelung und einen Neubau denken, was noch vor der Anschaffung einer Maschine zum Problem wird. Liegt der Standort zudem ungünstig – also nicht in unmittelbarer Nähe zum Kundenwerk – lassen hohe Transportkosten die Gesamtkalkulation schnell unwirtschaftlich erscheinen. Und wenn diese Hürden auch überwunden sind, kommen Personalkosten hinzu, denn die Fachkräfte müssen auch noch umgesiedelt oder neu rekrutiert werden. Das erschwert den Produktionshochlauf und schwächt das bestehende Geschäft.
Unterm Strich: Es ist nicht immer angebracht, jedem Trend direkt zu folgen. Es gibt sicher andere sehr interessante Bereiche, bei denen man mit spannenden Lösungen die Aufmerksamkeit des Kunden gewinnen kann.
Mal provokativ gefragt: Ist Gigacasting überhaupt das Wundermittel der Branche?
Müller: Gigacasting erhöht den Aluminiumdruckguss-Anteil im Fahrzeug, indem es andere Werkstoffe ersetzt. Besonders bei großflächigen Strukturbauteilen in Hybridfahrzeugen kann das sinnvoll sein. Allerdings glaube ich nicht das Gigacasting das Wundermittel ist – eher ein wichtiger Teil eines größeren Wandels.
Sehr große Bauteile lassen sich auch ohne Gigacasting fertigen. Wir haben in Werkzeuge und Prozesse investiert und fertigen nun beispielsweise Bauteile für über 4.400 Tonnen Schließkraft auf einer 2.800-Tonnen-Maschine. Kleine und mittelständische Gießereien müssen daher ihr Know-how maximal nutzen, die Möglichkeiten ihres Maschinenparks genau kennen und Investitionen sorgfältig abwägen.